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Mit 11-11: Memories Retold ist ein weiteres interaktives Drama erschienen. Das Spiel hebt sich aber alleine durch das Setting von anderen Titeln des Genres ab. Ob das reicht, um eine Empfehlung auszusprechen, erfahrt ihr in unserem Testbericht. 

Zwei Perspektiven, ein Krieg

Wir erleben die Geschichte von 11-11 aus zwei Perspektiven, die im Grunde genommen sogar Feinde sind. Trotzdem trifft diese Bezeichnung nicht zu, da unsere beiden Protagonisten zwar in den Krieg ziehen, dies aber nicht als Krieger tun, sondern jeder eine eigene Geschichte hat, die ihn dazu bewegt, sich der Armee anzuschließen.

Wir schreiben das Jahr 1917 und der erste Weltkrieg tobt, da entscheiden sich zwei Personen an die Front zu ziehen. Zum einen ist das Kurt. Der deutsche Maschinenbauer musste ansehen, wie sein Sohn in den Krieg zog, hat nun aber schon seit geraumer Zeit nichts mehr von ihm gehört. Aus Verzweiflung schließt sich Kurt den deutschen Truppen an, damit er selber herausfinden kann, was mit seinem Sohn an der Front passiert ist.

Auf der anderen Seite spielen wir Harry, einen jungen Kanadier, der genauso durch seine Gefühle in den Krieg gezogen wird. Harry ist Fotograf, als seine angehimmelte Julia dem Major Baret schöne Augen macht. Die Eifersucht macht Harry für ein Angebot von eben genau diesem zwielichtigen Major empfänglich. Als Kriegsfotograph begleitet er diesen an die Front, von hier aus versucht er, mit Fotos das Herz seiner angebeteten Dame zu gewinnen.

Es handelt sich bei beiden Figuren nicht um Soldaten und so ist es auch nicht verwunderlich, dass wir es nicht mit einem Action-Titel zu tun haben. Viel mehr kann 11-11 als kunstorientiertes Anti-Kriegs Spiel verstanden werden, denn hier wird nicht zwingend das Leiden des Krieges an der Front, sondern der Schmerz in den Herzen der Zurückgebliebenen dargestellt.

Worte statt Waffen

Natürlich denkt man als Spieler an Titel wie Life is Strange und auch an die Telltale-Spiele, doch gerade mit Telltale hat 11-11 nicht so viel gemeinsam. Hier hat man wirklich noch das Gefühl, als seien die Entscheidungen gewichtig und deswegen können wir aktuell auch nicht hundertprozentig sagen, wie viele verschiedene Enden es im Game gibt. Die (schweren) Entscheidungen sind zahlreich und gewichtig. Die emotionale Schwere teilt sich der Titel ganz sicher mit der Life is Strange Serie, hat aber einen deutlich realistischeren Anstrich und ist eben genau deswegen so bitter in seiner Geschichte.

Die Hauptzeit verbringt ihr natürlich auch hier mit dem Erkunden der einzelnen Schauplätze, mit Gesprächen und auch hier und da mal mit einer kleinen Action-Sequenz. Doch gerade wegen ihrer Profession ist es eben auch die Aufgabe der Figuren, Radios zu reparieren und Fotos zu schießen. Zu Beginn eines jeden Kapitels wählt ihr, welche Perspektive zuerst gezeigt werden soll, das hat im Grunde aber keinen Einfluss auf die Geschichte. Am Ende des jeweiligen Kapitels kommt es zu schwierigen Entscheidungen.

Als Harry schießt ihr während der Kapitel Fotos, da Film im 20. Jahrhundert teuer war, könnt ihr natürlich nicht beliebig viele Fotos machen. Wie versprochen schickt ihr Fotos an eure Lady in der Heimat. Da es zu Kriegszeiten nicht so einfach war, Pakete zu verschicken, können immer nur wenige Bilder versendet werden. Das ist nun die Auswahl des Spielers. Je nachdem, welches Motiv im heimischen Briefkasten landet, kann es die Emotionen eurer Liebschaft beeinflussen. Überlegt also gut, ob ihr ein Foto der Gräuel des Krieges oder doch lieber eine Möwe bei Sonnenuntergang verschickt.

Auch Kurt steht vor einem ähnlichen Desaster; Er lässt ein weiteres, jüngeres Kind zurück, als er in den Krieg zieht. Mit Briefen versucht er sich nun zu erklären. Wie er das macht, entscheidet ihr. Es gibt diverse Antwortmöglichkeiten zur Auswahl. So kann der Spieler wählen, ob er vom Krieg spricht oder von einem Abenteuer. Später gibt es noch härtere Entscheidungen. So muss entschieden werden, ob versprochen wird, zu Weihnachten zu Hause zu sein oder ob gleich von Anfang an gesagt wird, dass es unwahrscheinlich ist, das Fest zusammen zu verbringen. 

Auf beiden Seiten sind es immer wieder emotionale harte Nüsse, die geknackt werden müssen. Klar, kann man abschätzen, was die Familie zu Hause positiv oder negativ auffassen wird, aber das große Ganze kann man als Spieler schwer erkennen und daher ist das Ende des Titels nicht so einfach vorherzusehen. Endlich machen die Entscheidungen in einem solchen Spiel wieder richtig Spaß, auch wenn sie zeitgleich unangenehm sind.

Monet vs. Elijah Wood vs. Sebastian Koch

In den knapp sechs Stunden, die uns Memories Retold bietet, ist auch die Art der Präsentation eine ganz Eigene. Jeder, der in der Schule das Vergnügen hatte, die Wasserrosen von Monet zu behandeln, der erkennt den Stil des Games gleich wieder. Man muss sich zugegebener Weise erst an den Look gewöhnen, aber es ist in jedem Fall etwas frisches und bietet auch einige interessante Nuancen. So sind die wichtigen Figuren in der Geschichte gut zu erkennen, die Gesichter von augenscheinlich unwichtigeren Leuten aber wesentlich verschwommener, so wie wir auf jeder Reise eben nur die Gesichter der -für uns- wichtigen Personen gut im Gedächtnis behalten.

Der Stil ist schön. Man merkt aber auch, dass er genutzt wurde, um einige Dinge wie fehlende Lippenbewegungen zu kaschieren. Im Detail wäre mehr Arbeit erforderlich gewesen, als Gesamtkonzept funktioniert dieser Look aber gut.

Musikalisch untermalt das Spiel die emotionalen Stationen unserer Reise gut. Es hat einen ruhigen, ja fast beruhigenden Soundtrack. Das Zusammenspiel zwischen Look und Sound des Titels erleichtert des dem Spieler in die Welt einzutauchen. Dennoch kommen Bedrohung und emotionale Konflikte auch hier nicht zu kurz.

Ein großes Lob muss an Elija Wood ausgesprochen werden. Schon in der Vergangenheit haben Wood und sein Management Wert daraufgelegt, nach Lord of the Rings an verschiedenen, ja stellenweisen schon sonderbaren Projekten teilzunehmen. Da reiht sich die Synchronarbeit an diesem Titel perfekt in die Filmographie ein. Den jungen, liebestrunkenen Kameramann spricht Wood hier wirklich glaubhaft, man kann auf mehr Arbeit im Gaming-Sektor hoffen.

Doch auch Sebastian Koch soll hier nicht unerwähnt bleiben. Er spricht Kurt und macht seine Suche nach Sohnemann Max erst so emotional. Hervorzuheben ist hier eben auch, dass man sich entschied, das Spiel bilingual zu erzählen. Harry spricht Englisch und Kurt Deutsch, nur die Untertitel sind in der Sprache, die der Spieler spricht.

Fazit

11-11: Memories Retold ist eines dieser Spiele, von denen man befürchten muss, dass es untergeht. Zwischen all den lauten und grellen Titeln gibt es leider oft wenig Platz für die leisen Spiele wie dieses. Spielerisch ist das Genre der interaktiven Filme natürlich nicht so abwechslungsreich und einige ruhige Passagen sind vielleicht etwas zu lang, doch für die Story und vor allem für die transportieren Emotionen lohnt sich ein Blick auf dieses Spiel wirklich.

Die Grafik aber vor allem die Musik und die gute englische Synchronisation helfen enorm dabei, in dieser Geschichte zu versinken. 11-11 ist nicht für jeden Spieler etwas, für diejenigen unter uns, welche aber offen für solche Abenteuer sind, lohnt sich der Ausflug.

Wer etwas für Geschichte, eine gute Erzählung und emotionale Momente übrig hat, sollte die 20 Euro unbedingt investieren!


Bewertung

Pro

  • Tolle Sprecher auf beiden Seiten
  • Emotionale Geschichten
  • Der Schrecken des Kriegs einmal anders dargestellt

Contra

  • Stellenweise sehr passives Gameplay

Story 9 von 10
9/10
Gameplay 7 von 10
7/10
Spielspaß 8 von 10
8/10
Grafik 7 von 10
7/10
Sound 9 von 10
9/10
Umfang 7 von 10
7/10
XBU-Silver-Award
8

1 Kommentar

XBU Philippe Mi, 14.11.2018, 09:10 Uhr

Ich mag solche Spiele unglaublich gern. Diese emotionale Reise gleicht einem spielbaren Film. Wenn das Spiel im Angebot ist, werde ich sicherlich zuschlagen - dein Testbericht motiviert mich.